Effizienter dank Mobile Business

Nur eine durchgängige Mobilisierung aller Prozesse ermöglicht die Ausschöpfung betrieblicher Effizienzreserven

Von Dr. Franz Büllingen, Leiter Begleitforschung Mittelstand-Digital
Finger zeigt auf Tablet© Halfpoint/Fololia.de

Alles, was sich digitalisieren lässt, wird digitalisiert, alles was sich vernetzen lässt, wird vernetzt und alles, was sich mobilisieren lässt, wird mobilisiert, so könnte man in kurzer Form die drei Hauptentwicklungen und die Herausforderungen beschreiben, denen sich die IKT-Branche derzeit und in den nächsten Jahren gegenübersieht. Was langfristig bereits als stabiler Trend vorgezeichnet scheint, stellt viele Akteure aktuell jedoch vor große Herausforderungen. Dies gilt in besonderem Maße für die Einführung von mobilen Geschäftsprozessen, die zu nachhaltigen Veränderungen unserer gesamten Wirtschafts- und Arbeitsstrukturen führen und dem allgemeinen Trend zur fortgesetzten Ausdehnung der Mobilitätsradien Rechnung tragen.

Wachstum des Mobilitätsradius und Wandel der ArbeitsstrukturenWachstum des Mobilitätsradius und Wandel der Arbeitsstrukturen © WIK-Consult, in Anlehnung an: Fraunhofer IAO, IAT Universität Stuttgart, 2009ZoomWachstum des Mobilitätsradius und Wandel der Arbeitsstrukturen

Zwar kommt nach Auffassung von Experten Innovationen durch Mobile-Business-Lösungen eine Schlüsselfunktion zu, mit deren Hilfe sich auf allen Ebenen betrieblicher Wertschöpfungsaktivitäten Prozesse vereinfachen, flexibilisieren und effizienter gestalten lassen. Es lässt sich allerdings insbesondere bei KMU beobachten, dass fast immer nur einzelne Elemente der Wertschöpfungskette mobilisiert und für den Zugriff durch mobile Endgeräte erschlossen werden, während der überwiegende Teil betrieblicher Funktionen hiervon unberührt bleibt. Wenn heute von Mobile-Business die Rede ist, dann sind i.d.R. Mobile-Office-Anwendungen gemeint, d. h. weitgehend einfache Kommunikationsprozesse, die durch Sprachtelefonie, SMS, E-Mail oder die Nutzung von Social Media erfolgen.

Analysen der vergangenen Jahre zeigen jedoch, dass prinzipiell alle Elemente der Wertschöpfung mobilisiert und für den mobilen Zugang zu Unternehmensprozessen geöffnet werden können. Dies gilt sowohl für den Zugriff auf unterschiedliche Arten von Planungsdaten (Enterprise Resource Planning), die Realisierung von Bestellvorgängen in der Beschaffungslogistik (Mobile-Supply-Chain-Management), den Zugriff auf Maschinenparks (M2M), Kontrollfunktionen und Eingriffe im Rahmen von Facility-Management und Flottenmanagement, als auch für alle Funktionen des After-Sales-Service sowie die Kundenkommunikation und Kundenbindung (Customer-Relationship-Management).

Nur wenn alle Prozesselemente des Mobile Business vollständig reorganisiert und durchgängig integriert werden, können die vorhandenen Effizienzreserven gehoben werden: Zielgenauerer Einkauf, flexiblerer Personaleinsatz im Außendienst, aktive Flotten- und Routensteuerung, passgenaue Kundenansprache vor Ort sowie der Einsatz von Fernsteuerungs-, Wartungs- und Alarmierungssystemen weisen beispielhaft den Weg für betriebliche Rationalisierungspotenziale, die beträchtliche Einsparmöglichkeiten eröffnen und sich durchschnittlich auf bis zu 20% des Umsatzes belaufen. Vielen KMU sind das konkrete Nutzungsspektrum mobiler IKT-Lösungen und die sich daraus für das jeweilige Unternehmen ergebenden individuellen Mehrwerte allerdings häufig nur ansatzweise bewusst.

Für eine vollständige Mobilisierung ist es erforderlich, dass Unternehmen einen systematischen Weg einschlagen und zunächst auf der Steuerungs- und Führungsebene eine Strategie für eine mobile Restrukturierung ihrer Prozesse formulieren (Ebene 1). Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass die Mobilisierung der funktionalen Elemente der Wertschöpfung in den meisten Betrieben „aus dem Bauch heraus“, d.h. ohne strategische Planung, erfolgt. Benötigt wird daher eine möglichst konkrete Ausformulierung der angestrebten Ziele sowie der Abfolge der Einzelschritte beim Change-Management, die nicht nur vollständig transparent, sondern auch in sich kohärent sein müssen.

Auf der zweiten Ebene sind Antworten in Bezug auf die mit der Umsetzung innerhalb der bestehenden Organisationsstrukturen existierenden Herausforderungen zu finden, die vom Beschaffungsmanagement für Hard-, Middle- und Software über die Einbindung der mobilen Endgeräte bis hin zur Vergabe von Zugriffsrechten (Rollenmanagement), zu Vorgaben in Bezug auf das Nutzungsverhalten (betriebliche Nutzungspolicys) oder zur Anpassung der relevanten Daten- und Prozessstrukturen reichen.

Bei der dritten Ebene geht es um die Entwicklung einer Zielvorstellung davon, wie leistungsfähig das Gesamtsystem sein soll, welche Dienste im Unternehmen selbst erstellt („make“) oder welche von externen Dienstleistern zugekauft werden sollen („buy“). Hierbei können z.B. die in den letzten Jahren zunehmend vermarkteten Cloud-Computing-Lösungen für mittelständische Unternehmen eine wichtige Entlastungsfunktion etwa beim Datenmanagement oder bei der IT-Sicherheit übernehmen und durch Zertifizierung Alleinstellungsmerkmale erzeugen.

Schließlich sind auf der vierten Ebene stets auch institutionelle Rahmenbedingungen zu berücksichtigen und in die Gesamtstrategie zu integrieren. Hierzu gehören beispielsweise die Klärung und Absicherung von Haftungsrisiken (z.B. in Bezug auf kompromittierte Kundendaten beim Verlust von Endgeräten), die Einführung und Einhaltung von Standards (z.B. für den Dokumentenaustausch, Finanztransaktionen, Kundenbestellungen, Reklamationsmanagement) oder die Einbeziehung von Mitarbeitern, deren Arbeitsplätze sehr häufig von (mitbestimmungspflichtigen!) Mobilisierungsstrategien tangiert werden.

Erfolgsfaktoren der Mobilisierung von UnternehmensprozessenErfolgsfaktoren der Mobilisierung von Unternehmensprozessen © WIK-ConsultZoomErfolgsfaktoren der Mobilisierung von Unternehmensprozessen

Insgesamt ergeben unsere Marktanalysen, dass Mobile-Business-Lösungen schon heute einen bedeutenden Wachstumsmarkt in Deutschland darstellen. Es zeigt sich, dass sich bereits realisierte Anwendungen mobiler IKT-Lösungen als typisches Erfahrungsgut wiederum positiv auf die Anschaffungsabsichten anderer Betriebe auswirken. Je strategisch durchdachter und durchgängiger Mobilisierungsstrategien angelegt sind und je mehr sie durch aktives Change-Management begleitet werden, umso nachhaltiger können die Effizienzvorteile ausgeschöpft werden. Zu den häufig vernachlässigten, aber besonders kritischen Erfolgsfaktoren gehört, Mitarbeiter frühzeitig in beabsichtigte Prozessinnovationen einzubeziehen, ihr Kreativitätspotenzial zu mobilisieren und effiziente Nutzungsanreize zu setzen. Erst dann kann Mobile Business weitgehend das leisten, was viele KMU hiervon erwarten, nämlich eine Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit.