Usability durch User- und Crowd-Innovationen

In Deutschland existiert bereits großes Know-how für die Erstellung komplexer Software-Lösungen. Die Entwicklung ist jedoch häufig rein an der Funktionalität orientiert. Dabei ist intuitiv bedienbare Software mit hoher Nutzerfreundlichkeit ein entscheidender Wettbewerbsfaktor. Eine systematische Einbeziehung des Nutzers hilft dabei, Software bedarfsgerechter und leichter handhabbar zu gestalten. In der Praxis ist die Umsetzung jedoch bei kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) noch nicht weit genug fortgeschritten, da es sowohl an zeitlichen und finanziellen Ressourcen mangelt, als auch an der Expertise, um Nutzer erfolgreich in die Gestaltung eines Produkts einzubeziehen. Das Förderprojekt CUBES hat sich zum Ziel gesetzt, das Potenzial innovativer online-basierter Methoden zur Einbeziehung von Nutzern zu erforschen und so auf eine Steigerung der Usability und der User-Experience von Software hinzuarbeiten. Prof. Dr. Gunnar Stevens der Universität Siegen informiert über die Vorteile des User-Wissens.

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Was macht aus Ihrer Sicht den Erfolg eines Produkts aus?

Einer der zentralen Faktoren ist es, den Nutzer und das Nutzerwissen systematisch in den Entwicklungsprozess des Produkts einzubinden. Dadurch kann das Produkt einerseits besonders gut an die Bedürfnisse des Nutzers angepasst werden, gleichzeitig können Usability Probleme im Vorfeld vermieden werden. Aktuell wird der Nutzer noch nicht ausreichend beteiligt. Hinzu kommt, dass die heutigen IT-Anwendungen immer mobiler werden und deshalb die Nutzungskontexte komplexer werden. Gleichzeitig bieten die neuen Technologien aber auch die Möglichkeit, neue Kanäle zu den Nutzern aufzubauen und nicht nur einen einzelnen Nutzer zu betrachten, sondern die gesamte Community.

Prof. Dr. Gunnar Stevens, Universität Siegen       Prof. Dr. Gunnar Stevens, Universität Siegen  Prof. Stevens, Cubes: "Nutzt das Internet als Kommunikationskanal. Holt Euch Feedback zu den ersten Scribbles und habt gegenüber den Nutzern immer ein offenes Ohr. Usability ist keine kosmetische Veränderung am Ende eines Entwicklungsprozesses. Sie dient vielmehr dazu, unter Berücksichtigung der Usability-Kriterien am Anfang bereits eine gute Bedarfsanalyse durchzuführen".

 Ihre primäre Zielgruppe sind somit KMU?

 Unser Projekt CUBES richtet sich in erster Linie an KMU. Großunternehmen haben in den meisten Fällen ein aktives Community-Management, daher ist es dort nicht notwendig aktiv zu werden. Wir wollen KMU für das Thema sensibilisieren und müssen auf dem Gebiet noch etwas Überzeugungsarbeit leisten. KMU haben meist keine eigene Abteilung, die sich um das Community-Management kümmert oder keine spezielle IT-Abteilung, die diese Systeme aufsetzt. Daher heißt es für uns jetzt, beides so anzugehen, dass es für diese Zielgruppe auch umsetzbar ist.

Ferner sind Community- und Crowdsourcing-Dienstleister eine interessante Alternative für KMU, um an das Wissen der Nutzer heranzukommen und Anwendung auf Usability Probleme testen zu lassen.

Kollaborative und offene Innovationsansätze, das "Wissen der Masse" sind die Vorteile der User- und Crowd-Innovation. Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, damit diese verwertet werden können?

Usability ist eine Haltung, für die man offen sein muss. Dem Nutzer wird dabei zugetraut, kreativ zu sein und sein Wissen vermitteln zu können. Vor einiger Zeit hatte man eher noch die Perspektive des passiven Nutzers, der eigentlich nur konsumieren möchte. Die Haltung zum Nutzer hat sich in den vergangenen Jahren geändert. Durch die Nutzer werden nicht nur die Probleme einer Anwendung deutlich, sie können auch bewusst zur Lösung derselben beitragen. Für die Anwendungspartner heißt das, dass Wissen an verschiedenen Stellen auftreten kann, wie zum Beispiel in der Marketingabteilung oder bei dem Social-Media-Beauftragten, das im Anschluss bei dem Entwickler landet. Dieses Vorgehen kann technisch mit einem integrierten IT-System unterstüzt werden. So kann beispielsweise der Social-Media-Beauftragte umgehend die Posts von Facebook in die Problemdatenbank für das Produkt einstellen. Die Kommunikationswege sind kurz gehalten, was den Softwareentwicklungsprozess agil bleiben lässt. Außerdem gibt es verschiedene Stufen der Filterung und Aktivierung. Es treten Situationen auf, in denen Nutzer auf ein ähnliches Problem stoßen. Gleichzeitig existieren aber noch keine formalen Kriterien, ab welchem Zeitpunkt ein Fehler behoben und die Lösungsmaßnahme umgesetzt wird. Die Häufung der Fälle schafft allerdings ein stärkeres Bewusstsein für das Problem. 

Wo sehen Sie das größte Potenzial in Ihrem Projekt?

Eine wachsende Bedeutung hat die zunehmende Integration von Social-Media und der Entwicklungsprozesse. Wir hoffen in einigen Jahren – wenn Erfahrungswerte vorliegen und die Technik für die Umsetzung gestaltet ist - diese Maßnahmen flächendeckend einzuführen.