„Wir motivieren Firmen dazu, Chancen aus der Digitalisierung zu erschließen“

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Herr Kirmayr, wo steht die deutsche Bauwirtschaft bei der Digitalisierung?

Die Digitalisierung ist in Deutschland seit einigen Jahren das alles beherrschende Thema in der industriellen Fertigung. Immer mehr Unternehmen verzahnen ihre Produktion mit moderner Informations- und Kommunikationstechnik. Der deutsche Bausektor hängt insgesamt gesehen bei der Digitalisierung jedoch weiterhin hinterher. Ein Grund dafür liegt in der stark fragmentierten Bau- und Immobilienwirtschaft in Deutschland: Eine allein von der Politik angestoßene und gesteuerte Digitalisierungsstrategie ist – anders als in Großbritannien oder Skandinavien – bei uns nur schwer durchführbar. Laut einer Unternehmensbefragung der KfW letztes Jahr haben nur 26 Prozent der Unternehmen Digitalisierungsmaßnahmen fest eingeplant.

Was wollen Sie mit dem Kompetenzzentrum Planen und Bauen erreichen?

Das Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Planen und Bauen verfolgt das Ziel, die Digitalisierung in die kleinen und mittleren Unternehmen, und damit in die Breite der Bau- und Immobilienwirtschaft, zu tragen. Hierzu müssen in den fünf Themenfeldern Projektentwicklung, Planen, Produktion, Bauen und Betreiben praxisgerechte und wertschöpfende Lösungen aus der Digitalisierung erarbeitet und an die Zielgruppen weitergegeben werden. Dazu dienen Demonstratoren für Praxisanwendungen, Präsentationen von Best-Practice-Beispielen, Vorträge, Schulungen und verschiedene Angebote für Firmen, um sich mit anderen auszutauschen und Erfahrungen zu teilen. Wir arbeiten hier eng mit Planern und Ausführenden zusammen. Anhand von Best-Practice-Beispielen informieren wir so über den Mehrwert von digitalen Technologien und motivieren dazu, weitere Chancen aus der Digitalisierung zu erschließen.

Auf welche Bereiche konzentrieren sich die von Ihnen genannten fünf Themenfelder?

Jedes der fünf Themenfelder steht bei uns gleichermaßen im Fokus und wird durch eines der Teilzentren repräsentiert. Der Bereich „Projektentwicklung“ konzentriert sich vor allem auf die Initiierungsphase eines Bauprojektes mit wichtigen Fragen zu Finanzierung, Versicherung und Wertermittlung. Aber auch Fragen an der Schnittstelle zu digitalen Geländeinformationen sowie der frühen Projektphasen vor Planungsbeginn werden beantwortet. Das Themenfeld „Planen“ prüft den Nutzen digitaler Methoden wie beispielsweise Building Information Modeling (BIM). Das Zentrum begleitet und analysiert Pilotprojekte, anhand derer sich Planer und Bauunternehmer ein genaues Bild davon machen können, welche praktischen Maßnahmen funktionieren und sinnvoll für sie sind.

Das Themenfeld „Produktion“ fokussiert sich auf den Herstellungsprozess und widmet sich zudem der logistischen Fragestellungen einer digitalen Baustellen- und Materialorganisation.

Das Bauen ist in Deutschland stark vom Handwerk geprägt, so dass diese Zielgruppe und deren Bedürfnisse mit speziellen digitalen Lösungen unterstützt werden soll. Beim Themenfeld „Betreiben“ steht das Thema Effizienzsteigerung in der Nutzungsphase im Vordergrund. Der „Digitale Zwilling“ als realitätsnahes und dynamisches Abbild des realen Gebäudes wird sowohl in der Planungsphase als auch im Betrieb bestehende statische und analoge Prozesse ersetzen. Das Themenfeld zeigt kleinen und mittleren Unternehmen der Branche, wie sie digitale Informationen und Modelle sowohl zur Produktentwicklung als auch zur Betriebsoptimierung wertschöpfend nutzen können.

Vielen Dank für das Interview.