IM FOKUS
Digitalisierung des Mittelstandes – Evolutionen und Revolutionen durch IT
Von Heiko Oberlies, IHK Bonn/Rhein-Sieg
Die gesamte Wirtschaft und insbesondere der Mittelstand haben in den letzten Jahren eine starke Umwälzung ihrer Geschäftsprozesse erlebt. Die zunehmende Digitalisierung ermöglicht es, die Effizienz und Effektivität in vielerlei Hinsicht erheblich zu steigern und so Finanzmittel für andere Investitionen freizusetzen. Um dem Mittelstand den Einstieg in das digitale Zeitalter zu erleichtern, sind enorme Anstrengungen auch im Hinblick auf dessen Förderung unternommen worden, damit diese wichtige Säule der deutschen Wirtschaft den Anschluss an die internationale Entwicklung halten kann.
In den Bereichen Produktion, Vertrieb und Marketing sind ohne die Digitalisierung viele Prozesse nicht umsetzbar. Sie eröffnet Perspektiven für gänzlich neue Geschäftsmodelle, macht die Erschließung neuer Absatzmärkte und Kundengruppen möglich und verändert die Arbeitswelt durch die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Neben diesen Chancen stellen die neuen Technologien den Mittelstand aber gerade bei der Prozessintegration sowie bei der sicheren und kostengünstigen Nutzung auch vor neue Herausforderungen.
Vor zehn Jahren waren die Nutzung mobiler Endgeräte wie Smartphones oder Tablet-PCs im Unternehmen oder das Mobile Marketing noch kein Thema. Diese digitalen Neuerungen verlangen von den Unternehmen schnellstmögliche Anpassung. Nur wer mit der ständigen Veränderung Schritt hält, wird sich auch in Zukunft am Markt behaupten können – getreu dem Motto "Survival of the fittest".
Ein weiterer Aspekt für den Mittelstand – der gleichzeitig Chance und Gefahr für die eigene Geschäftstätigkeit bedeuten kann – ist, dass neue Technologien mitunter komplette Prozessketten überflüssig machen und die Wertschöpfung nachhaltig verändern. Neben der Integration ist also auch die Weiterentwicklung und Anpassung des eigenen Portfolios, möglichst unter Nutzung dieser neuen Technologien, zukünftig ein wichtiger Schlüsselfaktor. Nur durch einen entsprechenden Innovationsgrad können Unternehmen Alleinstellungsmerkmale schaffen, um damit Kunden zu begeistern und sich gegen den Wettbewerb durchzusetzen.
Und die Digitalisierung schreitet voran: Bestehende Technologien entwickeln sich weiter und neue kommen hinzu. Hierbei beeinflussen sie neben den klassischen auch die elektronischen Geschäftsprozesse, wie beispielsweise die Möglichkeiten der vorausschauenden Prozesssteuerung durch Big-Data-Analysen und der nutzergesteuerten Produktion durch Industrie-4.0-Technologien oder die disruptiven Veränderungen, die der 3D-Druck mit sich bringt. Derzeit ist eine Phase angebrochen, in der Produkte und Dienstleistungen durch die Nachfrage geradezu getrieben werden. Der potenzielle Käufer beeinflusst und bewertet dabei die gesamte Prozesskette sowie den Produktlebenszyklus.
Das Internet modifiziert die Arbeit auch für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) vom User-Driven Content zum User-Driven Product. So verändert beispielsweise der 3D-Druck den klassischen E-Commerce, indem Produkte vom Kunden nicht mehr nur online bestellt, sondern auch direkt zu Hause ausgedruckt werden können. Der Einfluss des 3D-Drucks auf Branchen wie den Modellbau oder das Fotogewerbe ist enorm. Deswegen müssen die betroffenen Unternehmen die Herausforderungen solcher Entwicklungen frühzeitig erkennen und für sich nutzen.
Darüber hinaus wird auch das Vertrauen in die digitalen Geschäftsprozesse von morgen eine wichtige Rolle spielen. Im Augenblick vollzieht sich ein globaler Vertrauensverlust auf allen Ebenen der Digitalisierung. Es besteht ein Misstrauen sowohl hinsichtlich Hard- und Software als auch dem Internet gegenüber. Viele Menschen misstrauen durch die zurückliegenden Geheimdienstenthüllungen vor allem Technologien und Produkten der marktbeherrschenden amerikanischen Unternehmen. Hier liegt für den deutschen Mittelstand aber auch eine Chance, denn die Normen und Standards, die hierzulande gelten, sind in der Welt hoch angesehen. Nur wer seine Kunden überzeugt, sich an Bestimmungen und Anforderungen des Datenschutzes und der Datensicherheit zu halten, wird das Vertrauen seiner Kunden gewinnen und auch Geschäftsabschlüsse tätigen können.
Die Industrie- und Handelskammern unterstützen deshalb seit mehreren Jahren in Kooperation mit den eBusiness-Lotsen die Unternehmen bei der Bewältigung dieser Aufgaben, da die Digitalisierung der Wirtschaft eine der branchenübergreifenden Herausforderungen der nächsten Jahre ist. Angeboten werden bei den IHKs und eBusiness-Lotsen anbieterneutrale Informationsveranstaltungen, Seminare, Workshops und Webinare zu neuen IKT-Lösungen und ihren Herausforderungen. Hierbei wird auch auf technologische Weiterentwicklungen und die erwähnten Innovationen der Digitalisierung eingegangen.
Darüber hinaus bieten die IHKs und auch das Netzwerk der eBusiness-Lotsen Checklisten, Leitfäden und Broschüren zu unterschiedlichen E-Commerce- und E-Business-Themen an. Nach wie vor ist es aus Gründen der Wettbewerbsfähigkeit gerade für KMU wichtig, in den Kammern und bei den Lotsen neutrale Ansprechpartner für ihre Fragestellungen zu finden. Als Ausgleich für fehlende eigene Ressourcen haben KMU durch diese öffentliche Förderung die Chance, sich kostenneutral und ohne Vertriebsdruck zu neuen innovativen Technologiethemen zu informieren und sich so den zukünftigen Aufgaben zu stellen.
Die Chancen und Herausforderungen für den Mittelstand durch die Digitalisierung sind nach wie vor groß. Wer die Themen Integration, Anpassungs- und Wandlungsfähigkeit sowie Datensicherheit beherrscht und Hilfsangebote nutzt, darf auf die digitale Zukunft gespannt sein.